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Kategorienspezifische Störungen

Nach Beobachtungen vieler Forscher können bei Aphasikern Wörter bestimmter semantischer Felder bzw. semantischer Kategorien isoliert zur Verfügung stehen oder auch fehlen, so daß das aphasische Antwortmuster Auskunft gibt sowohl über die Stärke der Verbindungen innerhalb eines semantischen Feldes als auch über die mögliche Schwäche der Verbindungen zwischen den Feldern (AITCHISON 1997:112).gif Die Tabelle in Abbildung 25 dokumentiert die zahlreichen aphasischen Befunde kategorienspezifischer Wortfindungsstörungen und bestätigen die Annahme, daß in dem lexikalisch-semantischen System generell
Themenbereiche in einem gewissen Umfang unabhängig voneinander gespeichert [...] und daß einige semantische Felder beeinträchtigt sein können, ohne daß andere davon betroffen sind - auch wenn man bei normalen Sprechern solch scharfe Abgrenzungen zwischen den semantischen Bereichen nicht vermuten würde.
(AITCHISON 1997:113)
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Abbildung 25: Kategorienspezifische Störungen

Weiterhin beschreiben WARRINGTON/SHALLICE (1984) einen aphasischen Patienten (SBY), der bei Definitionsaufgaben deutlich bessere Leistungen für Abstrakta zeigte als für Konkreta. Die Tabelle in Abbildung 26 zeigt das aphasische Definitionsmuster von SBY.gif

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Abbildung 26: Definitionsangaben von Abstrakta und Konkreta

Neben dem auftretenden Problem der ganz allgemein gehaltenen Dissoziation zwischen abstrakten versus konkreten Substantiven gibt es weitere klar umrissene Bereiche, die aphasischen Patienten Probleme bereiten. WARRINGTON/SHALLICE (1984) beschreiben zwei aphasische Patienten (JBR und SBY), die bei semantischen Merkmalen von Objekten, die Mitglieder einer anorganischen Kategorie sind, bessere Leistungen zeigten als bei Objekten, die Mitglieder organischer Kategorien sind. Die Tabelle in Abbildung 27 veranschaulicht die kategorienspezifischen Störungen beider Aphasiker.

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Abbildung 27: Kategorienspezifische Störungen: Organisch versus anorganisch

BLANKEN (1991:18f.) kritisiert jedoch den Diagnostikbereich über kategorienspezifische Störungen und deutet auf ein deutliches theoretisches Defizit hin.

In vielen Fällen ist auch nicht völlig geklärt, ob wirklich semantische Defizite oder aber Defizite auf der Ebene der Input- oder Output-Lexika ausschlaggebend für die beobachteten Dissoziationen sind.
(BLANKEN 1991:18)
So warnt auch HILLERT (1990b) wie BLANKEN (1991:17f.) vor einer Überbewertung der von Forschern diagnostizierten kategorienspezifischen Störungen, denn einige scheinen eher impressionistischer Natur zu sein. Dieter Hillert spricht sich aber nicht gegen die Existenz selektiver Störungsformen sowohl im Verständnis als auch in der Produktion von Wörtern einer bestimmten semantischen Kategorie aus. Schließlich interpretiert der Sprachwissenschaftler beispielsweise die Untersuchungergebnisse von YAMADORI/ALBERT (1973) (s. Abbildung 25) folgendermaßen:
Im wesentlichen beruhen die dokumentierten Dissoziationen auf Beobachtungen, die nicht statistisch evaluiert wurden. Trotzdem sei erwähnt, daß beide Kategorien, Raumgegenstände und Körperteile, räumlich-bildhafte Merkmale miteinander teilen. Vielleicht hat eine selektive Störung für ikonische Kategorien vorgelegen.
(HILLERT 1990b:174)

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Sun Jan 30 19:15:22 MET 2000