von COLLINS/LOFTUS (1975) sieht die Bedeutung eines Wortes und die dazugehörigen
semantischen Eigenschaften durch Knoten in einem solchen Netzwerk repräsentiert.
Diese Knoten werden mit Hilfe gerichteter Pfeile miteinander verbunden,
welche zwischen Konzepten und Eigenschaften bestehende assoziative Verknüpfungen
repräsentieren. Je mehr solcher Verbindungen zwischen zwei Konzepten
bestehen, desto größer ist ihre semantische Ähnlichkeit.
Die Konfiguration der gerichteten Pfeile, die mit einem Wort abgespeichert
ist, repräsentiert seine Bedeutung. Um die Frage: Ist ein Rotkehlchen
ein Vogel? zu beantworten, ist es laut Netzwerkmodell nicht notwendig,
sich ein Rotkehlchen vorzustellen, und es mit dem Prototypen der
VOGEL-Kategorie zu vergleichen. Das Wissen, daß ein
Rotkehlchen
ein Vogel ist, kann direkt abgerufen werden. Die Leichtigkeit, mit der
diese Gedächtnisspur abgerufen werden kann, ist von ihrer Stärke
abhängig. Die Stärke einer Gedächtnisspur, im Beispiel der
Verbindung von Rotkehlchen und Vogel über die Relation
ist ein, wird über die Gebrauchshäufigkeit (= Frequentialität)
bestimmt, mit der Rotkehlchen etikettiert wird, wenn Vögel
aufgezählt werden sollen. Die Abbildung 18 zeigt ein nach COLLINS/QUILLIAN
(1969) definiertes hierarchisches Netzwerkmodell. Es wird angenommen, daß
die Attribute auf der höchstmöglichen hierarchischen Ebene nach
dem Prinzip der ``kognitiven Verdichtung'' im semantischen Gedächtnis
abgespeichert werden.
Abbildung 18: Die Speicherung von Attributen nach dem Prinzip
der ``kognitiven Verdichtung''(nach COLLINS/QUILLIAN 1969) (Quelle:
ANDERSON: 148)
Die mit dem Konzept VOGEL verknüpfte Eigenschaft hat Flügel, hat Federn, kann fliegen gilt für alle seine Unterbegriffe wie Rotkehlchen, Spatz, Kanarienvogel, Amsel, Taube oder beispielsweise Lerche. Die Information kann direkt aus der Ober-Unterbegriffsbezeichnung abgelesen werden, und braucht im Unterschied zum Merkmalmodell nicht noch einmal bei jedem Unterbegriff abgespeichert zu werden.
Hinsichtlich der Verarbeitung eines Konzepts nehmen die Vertreter des
Netzwerkmodells an, daß sich die semantische Aktivierung auf die
assoziierten Konzepte ausdehnt. Je stärker ein Begriff mit dem aktivierten
Konzept verknüpft ist oder je näher er diesem innerhalb des Netzwerkes
liegt, desto stärker wird auch er von der semantischen Aktivierung
erfaßt. Im Prinzip kann eine Information, die zu einem Konzept abgerufen
werden kann, unendlich sein. Der Zugriff auf das mentale semantische Lexikon
läßt sich nach dem ``spreading activation''- Ansatz beschreiben.
Die semantische Aktivierung kann sich analog zu den im Gehirn aktivierten
Aktionspotentialen im Laufe von einigen hundert Millisekunden über
die Knoten und Verbindungen im Netzwerk ausbreiten und dann entweder passiv
abklingen oder durch einen Hemmprozeß
aktiv gemindert werden.
Abschließend kann festgehalten werden,
daß die lexikalische Organisation des semantischen Wissens Einfluß hat auf die Verarbeitung von Wörtern und Sätzen.Dieses Phänomen ist in der Psycholinguistik vor allem mit der sogenannten Priming-Methode demonstriert worden. Die experimentelle Psychologie konnte nachweisen, daß bei Wortentscheidungsaufgaben, bei denen ein zusätzliches Wort vorangestellt wurde, die Entscheidung im Sinne von Bahnung oder Hemmung beeinflußt. Ein Wort, wie beispielsweise Hund wird in einer Wortentscheidungsaufgabe schneller erkannt, wenn zuvor ein semantisch verwandtes Wort, wie Katze dargeboten wird. So kann davon ausgegangen werden, daß semantische Verwandtschaft zwischen dem zunächst dargebotenen Stimulus (Prime) und dem Zielitem (Target) das Erkennen des Zielitems bahnt.
(SCHWARZ/CHUR 1993:75)
Jean Aitchison verwendet für den Sachverhalt des Netzwerkmodells die
Bezeichnung ``Spinnennetz'', so daß die Wortbedeutungen
zu einem riesigen multidimensionalen Spinnennetz verwoben sind, in dem jede Einheit zu Dutzenden anderer Einheiten in Verbindung steht.
(AITCHISON 1997:105)